Fabian Coulot

Nikosia - die letzte geteilte Stadt Europas
Wann kehrt Friede auf die beliebte Ferieninsel?

Fabian Coulot, Basel

Wird die europäische Union den Zyprioten nach nun 28 Jahren geteiltes Land den wohlverdienten Frieden bringen? Am 16. Mai 2002 besuchte der Zentralsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die britischen Truppen im Sektor 2 der UNFICYP in Nikosia.

Der Vertreter des Schweizer Soldat durfte zum vierten Mal die UN-Truppen auf Zypern besuchen und mit jeweiligen Reportagen über das Leben der UN-Soldaten sowie Land und Leute im geteilten Zypern berichten. In diesem Artikel geht es nun um die delikateste Aufgabe der Friedenssoldaten mit den blauen Berets, denn die Demarkationslinie der UNO verläuft mitten durch Nikosia, die Hauptstadt Zyperns.

Zypern und die Zyprioten
Gunner N. Beckwith am Gate zum Hauptquartier des britischen UN-Kontigentes im Sektor 2.
Gunner N. Beckwith am Gate zum Hauptquartier des britischen UN-Kontigentes im Sektor 2.
Zypern ist ein Land, das durch seine Einfachheit besticht, eine Einfachheit, die sich nicht nur in seiner zauberhaften Landschaft, sondern gleichzeitig in der aufrichtigen Herzlichkeit seiner Bewohner zeigt. Der Sage zufolge wurde Aphrodite, die Göttin der Liebe, auf Zypern geboren. Sicher mit ein Grund, warum seither jeder versucht hat, ein Zipfelchen der Insel für sich zu ergattern. Ob es sich dabei um französische Kreuzritter handelte, um Handelsreisende aus Venedig und Genua, phönikische und assyrische Piraten, ägyptische und persische Eroberer, um stets auf Kriegszug sich befindende Griechen und Türken oder die britische Kolonialregierung, die die Insel in den letzten Tagen ihrer Herrschaft als Pfand anbot, spielte keine Rolle. Mit Zypern hatte man immer leichtes Spiel. Diese mehr oder weniger willkommenen Besucher haben ihre Spuren hinterlassen: Von der griechischen Basilika und den Tempeln von Kourion bis hin zu den Mosaiken der römischen Villen in Paphos. Von Kreuzfahrerburgen in den kyrenischen Bergen über gotische Kirchen in Famagusta bis hin zu venezianischen Festungen in Nikosia und alten byzantinischen Klöstern im Troodosgebirge.

Seitdem man den Versuch der Vereinigung Zyperns mit Griechenland 1960 zugunsten der Unabhängigkeit aufgab, haben sich die Zyprioten griechischer Abstammung in zunehmendem Masse zu ihrer eigenen nationalen Identität bekannt. So gehören die Zyprioten der autokephalen orthodoxen Kirche an, womit der Erzbischof als Oberhaupt der zypriotischen Kirche vollkommen eigenverantwortlich ist. Im türkisch besetzten Teil Zyperns wird die sunnitische Glaubensrichtung des Islam praktiziert.

Die Hauptstadt - Nikosia oder auch Lefkosia genannt
Nikosia liegt inmitten der Mesaoria-Ebene, rund 155 m über dem Meeresspiegel. Nikosia ist die Hauptstadt des geteilten Zypern. Sie ist auch der kulturelle und wirtschaftliche Mittelpunkt der Insel. An der Stelle des heutigen Nikosia befand sich bereits in der neolitischen Zeit (6. bis 4. Jahrtausend v. Chr.) eine Ortschaft, die später als Ledra in der Geschichte erscheint. Ihren späteren Namen Laukosia/Lefkoscha, erhielt sie durch Leukos, einen Sohn des Ptolomäer-Königs-Sohnes, der sie um 300 v. Chr. ausbaute. In der Antike spielte Nikosia keine grosse Rolle.

Pyla und Famagusta - zwei weitere Städte und ihr Schicksal
Wurde die Hauptstadt Zyperns durch eine Demarkationslinie geteilt, zeigt die Ortschaft Pyla, östlich von Nikosia im Bereich des UN-Sektors 4 (slovakisches-ungarisches Kontingent), dass ein Zusammenleben der Insel-Zyprioten beiderlei Glaubens möglich ist. Pyla liegt inmitten der Pufferzone zwischen drei kleineren Hügelketten; auf einem Hügel befindet sich der Wachposten der Turkish Mainland Force, vis-à-vis ist der Wachposten der zypriotischen Nationalgarde und auf dem dritten Hügel kann der Beobachterposten der UN entdeckt werden. Im Dorf selbst befindet sich der Kommandoposten der UNO mit den Unterkünften samt einem Beobachterposten mitten auf dem Dorfplatz auf dem Hausdach des griechisch-zypriotischen Kaffeehauses und des türkisch-zypriotischen Kaffees. Der UN-Posten muss im wahrsten Sinne des Wortes den beiden Streithähnen in die Kaffeetasse schauen. Auf dem gleichen Dorfplatz befindet sich auch der Polizeiposten der UNO. Hier leisten australische und irische Zivilpolizisten ihren Dienst (CIVPOL). Das härtere Schicksal traf die Bewohner aus Famagusta; ein Teil Famagustas sowie Varoscha mit der Gastronomie und allen Hotelbetrieben wurde für 99 Jahre zur toten Stadt erklärt. Mit Ausnahme eines türkischen Offizierkasinos und eines Wachpostens, welcher gemeinsam von einem türkischen und einem UN-Soldaten besetzt wird, hat ausser den UN-Truppen niemand Zugang zur Geisterstadt.

ENOSIS oder TAKSIM und die EOKA
Als sich die Türkei zu Beginn des Ersten Weltkrieges mit Deutschland verbündete, reagierte Grossbritannien mit der Annexion Zyperns. Im Frieden von Lausanne verzichtete die Türkei auf jeglichen Anspruch auf die Insel. Zwei Jahre später wurde Zypern britische Kronkolonie. Im Zweiten Weltkrieg stellte sich Zypern mit einem 30'000 Mann starken Regiment auf Seiten Grossbritanniens. Dieses Zeichen der Anerkennung des britischen Bündnisses mit Griechenland gegen Deutschland und Italien belohnten die Engländer mit der Aufhebung des Parteiverbots. Nach dem Zweiten Weltkrieg glaubte die neue Labour-Regierung Grossbritanniens, Zypern einen Gefallen zu tun, indem sie ihr grösseres Selbstbestimmungsrecht einräumte. 1955 weitete sich der Kampf um den Anschluss an Griechenland, obwohl die türkischen Inselbewohner eine Teilung Zyperns wollten, zum bewaffneten Aufstand aus. Er wurde von Oberstleutnant J. Griwas alias DIGHNIS, einem auf Zypern geborenen griechischen Armeeoffizier angeführt.

1959 unterzeichneten die Länder Grossbritannien, Griechenland und die Türkei einen Dreimächtevertrag, der den Verzicht eines Anschlusses an Griechenland als auch die Teilung der Insel festlegte und der türkischen Minderheit Sonderrechte einräumte. Erzbischof Makarios III. wurde Präsident der neuen Republik, und der Führer der türkischen Zyprioten, Fazil Kuchuk, wurde Vizepräsident. Am 16. August 1960 erhielt Zypern im Rahmen des britischen Commonwealths seine Unabhängigkeit (Grossbritannien behielt die Hoheitsrechte über seine militärischen Stützpunkte an der Südküste, 99 km2).

UNFICYP
Weil der Friede nur drei Jahre währte und neue Kämpfe entflammten, brauchte es eine Schutztruppe. Die United Nations Peacekeeping Force in Cyprus ist die viertälteste Peacekeeping-Operation der Welt. Die vom UNO-Sicherheitsrat festgelegte UN-Resolution 186 ergibt das Mandat der UNFICYP.

Dem Force Commander stehen 1'230 militärisches Personal von zwölf Nationen zur Verfügung. Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay, Uruguay, Ungarn, Slovakei, Grossbritannien, Republik Korea, Irland, Kanada sowie 35 zivile Polizisten aus Australien und Irland und 245 lokale und internationale Zivilangestellte. Die UN-Soldaten besetzen die 152 UN-Beobachterposten entlang der Greenline und überwachen die Zutrittsberechtigung der rund 8'000 griechisch Zyprioten, welche täglich zur Arbeit in der Pufferzone ihre Felder bewirtschaften oder in den fünf Dörfern innerhalb der Zone leben.

Private Paul Waycott, Royal Logistics Corps, attached 18 Btry 32 Regt RA (links) und Lance Bombadier Paul Cuthbertson, 46 Btry 32 Regt RA
Private Paul Waycott, Royal Logistics Corps, attached 18 Btry 32 Regt RA (links) und Lance Bombadier Paul Cuthbertson, 46 Btry 32 Regt RA mit dem Velo auf Patrouille zwischen der engsten Stelle (3,30m) in der Leophoros Strasse in der Pufferzone.
  Oberleutnant Edward Cornes der OC der CITY Troop
Oberleutnant Edward Cornes der OC der CITY Troop erklärt auf einem der Hausdächer an der Leophoros Street die Umgebung; im Hintergrund die St.Sophia-Kathedrale, welche bei der türkischen Invasion von 1570 von den Besatzern in die Selim-Moschee umgebaut wurde. Die Lusignans wurden in dieser St.Sophia-Kathedrale zu Königen von Zypern gekrönt.

 

Zypern auf einen Blick

Zypern ist bei einer Oberfläche von 9'251 km2 nach Sizilien und Sardinien die drittgrösste Mittelmeerinsel. Zwei eindrucksvolle Gebirgsketten - das Kyreniagebirge im Nordosten und das Troodosgebirge im Südwesten - bilden den Rahmen für die im Landesinnern gelegene Messaria-Ebene. Der höchste Berg der Insel ist mit 1'951 m der im Troodosmassiv gelegene Olympus.

Bevölkerung: 752'000 (davon 171'000 im türkischen Teil Zyperns)
  Nikosia: 220'800 Einwohner (davon 41'060 im türkischen Teil)
  Limassol: 135'000 Einwohner
  Larnaka: 65000 Einwohner
  Paphos: 29'000 Einwohner
  Famagusta: 21'300 Einwohner
  Morphou: 1'180 Einwohner
  Kyrenia: 7'580 Einwohner
   
Regierung: 1960 wurde Zypern zur unabhängigen Republik mit eigener parlamentarischer Verfassung erklärt. Der 37 Prozent der Oberfläche umfassende türkische Teil der Insel wurde 1983 zum Türkischen Föderationsstaat von Zypern erklärt.
Religion: 98 Prozent der Bevölkerung in der Republik Zypern (Süden) gehören der östlich-orthodoxen Kirche an, weitere 2 Prozent setzen sich aus Maroniten, Armeniern, Katholiken und Muslims zusammen. Im türkischen Besatzungsteil der Insel sind 99 Prozent der Muslims Sunniten.

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